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B 254 n, Umgehung nicht für uns
Ein Bericht über das „LA-Forum“ über die Umgehungsstraße Wartenberg-Lauterbach am 10. Februar 2017 in der Aula der Schule an der Wascherde, wie er nicht im Lauterbacher Anzeiger stehen wird
Zur öffentlichen „Expertendiskussion“ über den Sinn oder Unsinn der Umgehungstraße B 254 n Wartenberg Lauterbach hatte der Lauterbacher Anzeiger eingeladen und, aufgrund seiner überall gepriesenen Neutralität, das Podium paritätisch mit vier Befürwortern und einem Kritiker des Straßenbauprojektes besetzt. Ob die Einladung von Dr. Wolfgang Dennhöfer, der für die Umweltverbände BUND und NABU sprach, etwas mit dem leserbrieflichen Protest über die Podiumsbesetzung, die es nach der ersten Ankündigung des Forums gegeben hatte, zu tun hat? Die Redaktion des LA streitet dies ab.
Wer war sonst noch auf dem Podium? Da waren Stadtplaner Hartmut Kind, Vizelandrat Dr. Jens Mischak, Ministerialdirigent Gerhard Rühmkorf vom Bundesverkehrsministerium und Ulrich Hansel von Hessens Landesbehörde zur Verhinderung von Mobilität „hessenmobil“.
Triton wurde zudem berichtet, dass bei den Fragerunden die vier Straßenbefürworter (und nur diese) auf dem Podium Zettel vor sich liegen hatten, auf denen die Fragen standen, die ihnen gestellt werden würden. Sie hätten dann also sich lange darauf vorbereiten können. Die Redaktion des LA streitet dies ab.
Hartmut Kind zeigte zunächst an einigen Beispielen auf, wie segensvoll eine Umgehungsstraße ist (u.a. am Beispiel von Hungen). Da er in einem Nebensatz auch einmal von unbedeutenden Schädigungen für Mensch und Natur am Rande sprach, dankte Frau Kempf ihm für seinen „neutralen Vortrag“. Bei der letzten Redakteursfortbildung „Neutralität für Anfänger“ in der Dortmunder Westkurve war sie leider krank gewesen.
Immerhin kamen einige entscheidende Dinge bei diesem Forum heraus. So zum Beispiel, dass alle politisch Verantwortlichen inzwischen davon ausgehen, dass der Bau dieser neuen Straße ohnehin schon so weit geplant und beschlossen sei, dass sie gar nicht mehr verhindert werden könne. Da gratulieren wir vor allem Herrn Dr. Mischak. Der hatte erst im Dezember noch behauptet, natürlich könne die Straße auch noch gestoppt werden, nachdem sie im Dezember durch den Bundestagsbeschluss in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden sei. Das war eines seiner Hauptargumente, um den Beschluss des Gemeindeparlaments Wartenberg zu verhindern, das sich wahrscheinlich gegen die B 254 n ausgesprochen hätte. Glatte Lüge öffentlich zugegeben, das nötigt uns Respekt ab, Herr Mischak.
Aber natürlich hat Herr Rühmkorf nicht recht, wenn er meint, die Straße könne nun gar nicht mehr verhindert werden. Bürger, die dies unbedingt wollten, haben in der Vergangenheit schon ganz andere Bauwerke verhindert (sonst hätten wir heute z.B. im Bereich Atomkraft noch viel mehr und größere Anlagen zurückzubauen als dies heute der Fall ist). Man kann also nur hoffen, dass sich die kritisch eingestellten Bürger von solch einem Blödsinn nicht einschüchtern lassen.
Lustig war im Übrigen der computersimulierte Drohnenfilm über die alte und neue Trasse zu Beginn der Veranstaltung. Beim Flug über die alte Trasse sah man, wie wunderbar schnurgerade oder höchstens in sanften Bögen diese zu 90% des Tages wenig befahrene Straße durch die Landschaft führt. Beim Flug über die neue Trasse wurden naturschutzsensible Bereiche einfach ausgelassen, guter Trick, Respekt! Was man auf den Filmchen natürlich nicht sieht, und auch nicht auf der Linie, die von hessenmobil in die Karte eingezeichnet wurde, sind die dreidimensionalen Bauwerke, Dämme und Einschnitte sowie Brücken, die für die Straße notwendig sein werden. Nur als Beispiele: am jetzigen Ortsausgang von Lauterbach Richtung Angersbach soll und muss es einen Zubringer auf die neue Straße geben. Der zweigt folglich etwa auf Höhe der Kläranlage nach links ab, überquert eine Wiesenaue, dann die Bahnlinie per Brücke, zudem die Lauter, führt dann über die Felder östlich des Vaitsberges noch weit in die Landschaft hinein bis an die neue Straße heran, die oben fast am Waldrand entlang führt. Allein dieser eine Zubringer verschlingt viel Landschaft und stellt ein massives Bauwerk dar, das den Charakter Lauterbachs erheblich verändern wird. Hinzu kommen u.a. Brücken zwischen Lauterbach und Maar, denn auch dort müssen die alte B 254 sowie die Straße L3161 Richtung Heblos überquert werden. Man kann nur hoffen, dass Dr. Dahlmann, Bürgermeister von Wartenberg, trotz der vielen Anfeindungen gegen ihn und des Druckes von „oben“ aus der Kreisverwaltung noch das Gutachten erstellen lässt, welches solche Planungen sichtbar machen wird.
Denn dass die meisten Leute, die eine Meinung zur Umgehungsstraße haben, sich niemals persönlich angeschaut haben, was da kaputt gemacht wird, zeigte sich, als bezweifelt wurde, ob die paar Fotos, die Dr. Dennhöfer vom neuen Trassenverlauf zeigte, überhaupt von da stammen würden. Die meisten werden sich das auch gar nicht anschauen wollen, weil sie dann vielleicht nicht mehr ruhig schlafen könnten. Wer das dennoch sehen möchte findet die Bilder hier - aber hingehen und selber schauen ist besser!
Hartmut Kind hatte in seinem Startreferat klar gemacht, dass eine Umgehungsstraße für eine Gemeinde dann sinnvoll sein kann, wenn danach eine Neuanbindung des Ortes an die neue Straße geschieht und „die Chancen genutzt werden, die eine Umgehungsstraße bietet!“. Abgesehen davon, dass er die Antworten schuldig blieb auf die Fragen: Was kostet diese Anbindung die Kommunen? Wieviel zusätzliche Fläche wird durch diese Anbindungen versiegelt? Woher soll das Geld dafür kommen bei unseren Schutzschirmgemeinden, die schon die Buntstifte in der KITA gestrichen haben, um Geld zu sparen? – abgesehen davon also verschwieg er natürlich auch, dass er selbst mit seinem Planungsbüro sich bereits angemeldet hat, diesen hochdotierten Auftrag uneigennützig zu übernehmen. Kinds Auftragsakquise an diesem Tag funktionierte ausgezeichnet, das war der Grund seines Daseins, denn als Experten konnte man ihn, der vom genauen Trassenverlauf und den Gegebenheiten vor Ort, wie er freimütig eingestand, keine Ahnung hat, wirklich nicht bezeichnen.
Doch zurück zur Anbindung der Gemeinden an die neue Straße. Lauterbach versucht ja seit langem die Grundstücke seines Gewerbegebietes zwischen Lauterbach und Maar zu verhökern, aber die will keiner. Mit der neuen Straße soll es dann klappen. Lauterbach soll also nach Norden um mehrere hundert Meter wachsen, und zwar durch Gewerbe- und Industrieansiedlungen, so der Pla…, nein, der Traum. Denn warum die bekannte Wachstumsregion Vogelsberg dieses Wachstum plötzlich hergeben soll, das erklärte den staunenden Zuhörern keiner. Ist aber auch egal, denn entscheidend sei doch laut Herrn Kind die „Lust auf Stadtentwicklung“, die der kommerzielle Stadtplaner und Stadtentwickler in der Tat verspüren mag. Dafür wird also unsere Landschaft geopfert. Es entsteht ein neuer urbaner Gürtel aus Asphalt und Waschbeton, wie man ihn schon tausendfach in der Landschaft bewundern kann, während die Innenstädte veröden. Da lacht das Herz des Stadtentwicklers.
Gerhard Rühmkorf erklärte ebenso freimütig, dass die Straße nicht gebaut werde für die Lauterbacher und für die Wartenberger, sondern (eigentlich ganz klar) für die Menschen, die an Lauterbach und Wartenberg vorbei fahren möchten, die müssen dann weniger runterschalten. Wer eine Firma in Angersbach anfahren möchte, der hat fast nichts von der neuen Straße. Wer da wohnt eh nicht. Und für die paar Hansels (Entschuldigung, Herr Hansel von hessenmobil), denen an der Hauptstraße in Angersbach der Verkehr zu laut ist, würde man selbstverständlich eh keine 100 Mio. Euro ausgeben, zumal danach noch viel mehr Menschen vom Lärm belastet sein werden.
Dass Angersbach nach dem Bau der Ortsumgehung nur noch zum Wohnen taugen würde gestand am Ende sogar Herr Kind ein, er nannte es allerdings zynisch „neues Wohnen“. In Ruhe. Und Stille. Ohne Läden. Mit drei Autos vor der Tür, falls man mal einkaufen möchte. In Fulda. Ohne Touristen. Ohne Gastronomie. Wartenberg schafft sich selbst ab. Da gratulieren wir herzlich.
Wolfgang Dennhöfer hatte vergeblich versucht, den Menschen klar zu machen, dass sie Kleinodien vernichten, und das ohne Not und ohne Gewinn. Und dass die sogenannten Ausgleichsmaßnahmen ein Witz sind, was Herr Rühmkorf bestätigte, Herr Hansel widersprach. Herr Rühmkorf, weil er meinte, Ausgleichsmaßnahmen würden ja anderswo auch wieder Fläche kosten, nämlich die der Landwirtschaft (weil ja bei Versiegelung von Boden nicht anderswo Boden entsiegelt wird, sondern landwirtschaftliche Flächen stillgelegt werden, das ist billiger), und Herr Hansel, weil er seine eigenen Unterlagen nicht kannte und verstand. Hessenmobil ist verärgert, wenn es Planungsverzögerungen gibt, an Wahrheitsfindung ist dieser Behörde nicht gelegen.
Kurz: für übergeordnete Interessen des Verkehrswegeplans werden 100 Mio. € Steuergelder heraus gehauen. In Lauterbach, Maar und Wartenberg werden mehr Leute von Lärm belastet als heute, riesige Flächen werden zuasphaltiert, massive Landschaftseinschnitte durch Wälle, Einschnitte und Brücken werden in Kauf genommen, ebenso das Sterben zahlreicher Geschäfte, deren Inhaber um ihr Lebenswerk betrogen werden, und warum? Um dem Spieltrieb der Stadtplaner, der Erreichbarkeit der urbanen Zentren wie Fulda und den Wachstumsphantasien unserer Politiker zu entsprechen.
Görig, Mischak, Vollmöller und Dahlmann werden, wenn auch lange nach ihrem Dienstende, als Totengräber der Region in die Geschichte eingehen. Wenn Wartenberg die Folgekosten der Umgehungsstraße stemmen muss, werden die Wartenberger lachen über die 80.000 €, die ein Gutachten gekostet hätte, das eventuelle vor dem Neubau gewarnt hätte. Lauterbach und vor allem Wartenberg werden verkümmern zu Schlafdörfern für Leute, die in Fulda arbeiten, einkaufen, ausgehen, aber dort keine teure Wohnung halten möchten, umflossen vom stetigen Brummen der mit 100 km/h auf einem Wall am Ort vorbeifahrenden Autos. Dann nutzt ihnen auch keine Oil-Tankstelle an der neuen Trasse etwas, weil man da als älterer Mensch nicht hinlaufen kann, um sich den Korn zu kaufen, den man braucht, um seinen Kummer zu ertränken. Görig, Mischak, Vollmöller und Dahlmann sind persönlich verantwortlich für diese Entwicklungen und für die Zerstörung einer hochwertigen Landschaft und wertvollen Natur, nach der sich unsere Enkel noch die Augen ausweinen werden.
Martin Krauss